Die Geschichte der Johannischen Kirche

" Johannische Christenheit, erkenne dein Ziel in der Überbrückung der Konfessionen durch die Liebe!"
Unter diesem Leitwort gründete Joseph Weißenberg 1926 in Berlin die Johannische Kirche. Sie hieß zunächst "Evangelisch-Johannische Kirche nach der Offenbarung St. Johannes". Seit Pfingsten 1975 trägt sie den Namen "Johannische Kirche".

Anfänge - Sammlung und Auseinandersetzung

Die erste Sammlung der Anhänger Joseph Weißenbergs (24.8.1855 - 6.3.1941) war die im Jahre 1907 gegründete "Christliche Vereinigung ernster Forscher von Diesseits nach Jenseits, wahrer Anhänger der christlichen Kirchen". Dieser Name lässt erkennen, dass Joseph Weißenberg ursprünglich nicht beabsichtigte, eine neue Kirche zu gründen. Er forderte die Mitglieder seiner Vereinigung auf, die Gottesdienste ihrer Kirchen regelmäßig zu besuchen und das Gemeindeleben mitzugestalten.

Die Lehre Joseph Weißenbergs von einer geistigen Welt, dem Fortleben der Seele nach dem Tode, der Reinkarnation (Wiedergeburt), sein Heilen durch Handauflegen und die Geistfreundreden seiner Vereinigung waren wesentliche Gründe für seine Auseinandersetzungen mit anderen Kirchen. Als seinen Anhängern zunehmend Schwierigkeiten bereitet und einige sogar vom Abendmahl ausgeschlossen wurden, gründete er 1926 die Johannische Kirche. Für diese Kirche verkündete Joseph Weißenberg von Anfang an den Grundsatz der Achtung und Brüderlichkeit gegenüber jedem anderen Glauben und jeder anderen Religionsgemeinschaft nach der Erkenntnis: Ebenso, wie viele Wege zu einer Stadt führen, gibt es viele verschiedene Wege zu Gott.

In den folgenden Jahren wuchs die Johannische Kirche, und auch der Aufbau der 1920 gegründeten Friedensstadt ging stetig voran, ihre Einwohnerzahl nahm zu.

Verbot und Verfolgung

Dies änderte sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Diese warfen Joseph Weißenberg vor, er bilde einen Staat im Staate. Sie verlangten von ihm, das Alte Testament wegen seines jüdischen Ursprungs sowie die Geistfreundreden aus der kirchlichen Verkündigung zu verbannen. Dieser Forderung trat Joseph Weißenberg entschieden entgegen. Nach einer groß angelegten Verleumdungskampagne verbot die Geheime Staatspolizei am 17. Januar 1935 die junge Kirche, die zu diesem Zeitpunkt etwa 300 Gemeinden, überwiegend in Berlin, Ost- und Mitteldeutschland umfasste.

Die Friedensstadt wurde kurze Zeit später enteignet und von der Waffen-SS besetzt. Die Gestapo stellte den Kirchengründer vor mehrere Sondergerichte und ließ den Achtzigjährigen wie andere Regimegegner wegen angeblicher Sittlichkeitsverbrechen am 13. August 1935 zu eineinhalb Jahren Zuchthaus und am 21. Oktober 1935 als Staatsfeind zu einem Jahr Gefängnis verurteilen. Beide Strafen wurden zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus zusammengezogen.

1939 erfüllten sich die Prophezeiungen Joseph Weißenbergs über den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Schon im Jahre 1918 hatte er geäußert: "Dieser Krieg war noch nicht das Schlimmste. Was aber noch kommen wird, ist tausendmal schlimmer. Da bleibt in Berlin nicht ein Stein auf dem anderen, und das Brot wird kleiner als eine Schrippe." "Ich sehe Berlin gleichzeitig an Hunderten von Stellen brennen. Die Feuerwehr wird die Brände nicht löschen."

Nach Obernigk bei Breslau verbannt und unter Gestapo-Aufsicht gestellt, verstarb Joseph Weißenberg in seiner schlesischen Heimat am 6. März 1941.

Berufene Nachfolge

Bereits 1932 hatte Joseph Weißenberg seine Tochter Frieda Müller (7.2.1911-10.6.2001) zu seiner Nachfolgerin eingesetzt. Unmittelbar nach Kriegsende begann sie mit dem Wiederaufbau der Johannischen Kirche. In Verhandlungen mit den Alliierten konnte die Aufhebung des Kirchenverbots erwirkt werden. Am 3. Februar 1946 fand in Berlin der erste johannische Gottesdienst nach der Verbotszeit statt. In den wiedergegründeten Gemeinden begann 1946/47 der Religionsunterricht für die Kinder und alle anderen, die infolge der Verbotszeit keine religiöse Unterweisung erhalten hatten. Ebenso wurden viele Taufen, Konfirmationen und andere Amtshandlungen nachgeholt.

In die von der SS beschlagnahmte Friedensstadt war die Rote Armee eingezogen, eine Rückgabe wurde abgelehnt. Lediglich die Kirche der Friedensstadt auf dem Waldfriedengelände in Blankensee wurde zurückgegeben. Nach Verhandlungen mit der sowjetischen Besatzungsmacht konnte dort am 30. Juni 1946 wieder ein Gottesdienst stattfinden. Bei der Übergabe bat der sowjetische Kommandant: "Beten Sie auch für Russland!"

Eigenständige Entwicklung

Am 25. August 1946 vereinte in Berlin der Kirchentag wieder zahlreiche Kirchenmitglieder aus allen Teilen des Landes, doch es dauerte noch mehrere Jahre, bis die verstreuten Anhänger - viele kamen aus den ehemaligen Gemeinden östlich von Oder und Neiße - wieder gesammelt und betreut werden konnten. Innerhalb des Festgottesdienstes setzte Frieda Müller die ersten neuen Prediger ein, die sie aufforderte, das Testament des Heiligen Geistes zu verkünden. Dieser Berufung folgten viele weitere in die unterschiedlichen Ämter des kirchlichen Dienstes.

Am 21. Juli 1948 erkannte das Kammergericht Berlin-Mitte mit seinem Urteil das Handauflegen im Namen Jesu Christi als kultische Handlung an. Dieser "Missionshelfer-Prozess" setzte einen Schlusspunkt unter eine lange Entwicklung. Joseph Weißenberg war wegen seines Heilwirkens oft vor Gericht geladen worden. Nun durfte in seiner Kirche das Heilen durch Handauflegen als "Sakrament der geistigen Heilung" ungehindert ausgeübt werden.

Am 25. Februar 1953 erkannte das Berliner Oberverwaltungsgericht nach mehrjährigen juristischen Auseinandersetzungen die johannische Kirchenverfassung mit ihrer theokratischen Ordnung an.

Am 6. März 1966 wurde das neue johannische Glaubensbekenntnis verkündet. Es lautet:
"Ich glaube an Gott den Vater,
ich glaube an Gott den Sohn,
ich glaube an Gott den Heiligen Geist
und an Gottes Offenbarungen
durch Mose, Jesus Christus und Joseph Weißenberg!"

Seit Pfingsten 1975 trägt die Kirche den Namen "Johannische Kirche", was auch Ausdruck ihrer inzwischen gewachsenen Eigenständigkeit ist.

Soziales Wirken

Es war für Kirchenoberhaupt Frieda Müller selbstverständlich, dass sie sich beim Neuaufbau der Johannischen Kirche der Not ihrer Mitmenschen annahm und mit ihren Mitarbeitern versuchte, Leid und Elend von Krieg und Verfolgung zu lindern. Am 1. Dezember 1946 wurde das Soziale Hilfswerk der Kirche gegründet. Viele folgten dem Aufruf, im Geiste der Nächstenliebe Notleidenden mit Sachspenden und tätiger Mitarbeit zu helfen.

Im Jahre 1954 wurde das "Johannische Aufbauwerk e.V." gegründet, das seit 1990 den Namen "Johannisches Sozialwerk e.V." trägt. Schon im Gründungsjahr konnte es für die Kirche ein eigenes Gebäude erwerben, aber erst der Kauf des St.-Michaels-Heimes in Berlin-Grunewald machte es möglich, Gottesdienste, Kirchentage und Gemeindeveranstaltungen auf eigenem Gelände durchzuführen. Hier wurden auch die Grundlagen für eine umfangreiche, über die Kirche hinausgehende Sozialarbeit aus christlicher Verantwortung geschaffen. 1976 erhielt Frieda Müller anlässlich ihres 65. Geburtstages für ihr soziales Engagement vom Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz erster Klasse, das sie, wie sie sagte, stellvertretend für alle Glieder der Kirche annahm. Dass der Johannischen Kirche 1990 im Land Berlin und 1996 im Land Brandenburg die Anerkennung als "Körperschaft des öffentlichen Rechts" verliehen wurde, ist nicht zuletzt diesem sozialen Engagement zu verdanken.

Kirche in Ost und West

Die mit der Gründung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1949 erfolgte Teilung Deutschlands hatte auch für die Johannische Kirche ernste Folgen. Mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 war die gemeinsame Teilnahme aller Mitglieder an kirchlichen Veranstaltungen nicht mehr möglich. Obwohl in den folgenden Jahren die Johannische Kirche in beiden deutschen Staaten eigene Organisationsformen herausbildete, blieben die Einheit der Kirche und der enge Zusammenhalt der Kirchenmitglieder bestehen. Grundlage dafür waren Amt und Person des Oberhauptes, das der Kirche in beiden Teilen des Landes vorstand. Am 24. August 1961 berief Frieda Müller ihre Tochter Josephine Müller, geboren am 15. Juli 1949, zu ihrer Nachfolgerin.

In Ost und West konnte die Kirche in den Folgejahren eigene Gemeindehäuser und Andachtsstätten errichten. Außerdem war sie bei anderen Kirchen zu Gast oder gewährte anderen Glaubensgemeinschaften das Gastrecht. Kirchliche Zentren waren im Ostteil das Waldfrieden-Gelände in Blankensee bei Trebbin und im Westteil das St.-Michaels-Heim in Berlin-Grunewald.

1972 wurde mit dem Kauf des Stempferhofes in Gößweinstein der Grundstein für das soziale und kirchliche Engagement der Johannischen Kirche in der Fränkischen Schweiz gelegt. 1976 konnte dort mit dem Erwerb von Gut Schönhof in Eichenbirkig auch an ein weiteres Arbeitsfeld Joseph Weißenbergs angeknüpft werden, das er bereits in der Friedensstadt erschlossen hatte: die Landwirtschaft.

Rückgabe der Friedensstadt

Die Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989 ermöglichte auch die offizielle Wiedervereinigung der Johannischen Kirche und ihres Sozialwerks. Pfingsten 1990 versammelten sich Geschwister aller Gemeinden der Kirche nach über fünf Jahrzehnten zu einem gemeinsamen Dankgottesdienst auf dem Waldfriedengelände. Im März 1994 kam es zur Verabschiedung der russischen Soldaten aus der Friedensstadt und zur symbolischen Schlüsselübergabe an das Kirchenoberhaupt Josephine Müller. Kurz darauf wurde die endgültige Rückgabe der Friedensstadt verfügt.

Friedhof in Franken

Das besondere johannische Verständnis von Tod und Fortleben kommt unter anderem auf den Friedhöfen der Kirche zum Ausdruck.

Die Aussage Joseph Weißenbergs "Im Tode sind wir alle gleich", wird durch einheitliche Grabsteine und eine gräberübergreifenden gärtnerische Gestaltung verdeutlicht. Seit  1925 besteht der Friedhof der Johannischen Kirche in Glau nahe der Friedensstadt.

Im Jahr 1992 stellte die Johannische Kirche den Antrag, in der Fränkischen Schweiz auf dem Gelände des Gutes Schönhof einen eigenen Friedhof zu errichten. In der festen Zuversicht darauf, dass die Genehmigung für die Anlage dieses Friedhofs kommen werde, vollzog Frieda Müller am 27. April 1992 den ersten Spatenstich. Unter anderem sagte sie: "Möge dieser Gottesacker nicht konfessionsgebunden, sondern für alle zugänglich sein, denn im Tode sind wir alle gleich."

Nach mehrjährigen - zum Teil auch gerichtlichen - Auseinandersetzungen, wurde am 7. Juni 2001 die Genehmigung ausgesprochen. Drei Tage darauf, am 10. Juni 2001, ging Kirchenoberhaupt Frieda Müller heim. Am 16. Juni konnte ihr Wunsch erfüllt werden, ihre sterbliche Hülle auf dem johannischen Friedhof auf Gut Schönhof beizusetzen.

Offene Kirche

Oberhaupt Josephine Müller setzte konsequent den Weg ihrer Mutter fort, die Johannische Kirche für die Menschen zu öffnen und Brücken zu bauen. Ein wichtiger, äußerlich sichtbarer Schritt hierbei ist die Neugestaltung des Altares im Kirchenzentrum Waldfrieden zum 6. März 2002. Dort steht das Bibel-Wort: "Gott ist Liebe". Es stammt aus dem 1. Johannes-Brief, Kapitel 4,16: "Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm." Damit schlägt die Johannische Kirche eine Brücke zu allen Menschen, Konfessionen und Religionen, für die der große Schöpfer ein Gott der Liebe ist.

Am 30. Dezember 2019 ging Oberhaupt Schwester Josephine heim. Im Vorfeld berief sie Stefan Tzschentke und Daniel Stolpe in die Leitung der Johannischen Kirche und am 13. Dezember 2019 berief sie Stefan Tzschentke zum neuen Oberhaupt der Johannischen Kirche. Am 11. Januar 2020 berief Oberhaupt Stefan Tzschentke Daniel Stolpe zu seinem Stellvertreter und Nachfolger.